Aortenchirurgie

Die Aorta durchzieht den ganzen Körper, an der Aortenklappe des Herzen entspringend bis in das kleine Becken der unteren Körperhälfte und versorgt somit den ganzen Körper mit Blut. Sie stellt somit die Hauptlebensader des Körpers dar. Aufgrund dieser Ausbreitung in unterschiedlichen Körperhöhlen und der benachbarten anatomischen Strukturen sind sowohl Herzchirurgen als auch Gefäßchirurgen in die Behandlung involviert. Hierbei kommen rein chirurgische Verfahren mit und ohne Einsatz der Herz-Lungen-Maschine und rein kathetergestützte endovaskuläre Verfahren zur Anwendung. Darüber hinaus können kombinierte Verfahren, die sowohl chirurgischen Techniken als auch katetherbasierte Techniken zur Anwendung kommen. Im Jahre 2019 wurde einer der deutschlandweit hochmodernsten Hybridsäale an der UMG eingeweiht, um insbesondere hochkomplexe katheterbasierte Endovaskularchirurgie durchzuführen sowie chirurgische Techniken mit Kathetertechniken kombinieren zu können.

Krankheitsbilder können eingeteilt werden in: 1) Aussackung (Aneurysma) oder 2) Einriss der Aortenwand (Dissektion). Ebenso treten Verengungen (Stenosen), die angeboren oder erworben sein können, auf. Selten müssen entzündliche oder tumoröse Prozesse an der Aorta versorgt werden.

Sollte auch die Herzklappe betroffen und undicht sein, sind spezielle herzchirurgische Verfahren im Einsatz, wobei sehr häufig die Aortenklappe dann rekonstruiert werden kann.

Ist der Ersatz des Aortenbogens notwendig, ist die Blutversorgung des Kopfes ein wichtiges Verfahren, um die Funktionen zu schützen.

Techniken und Verfahren

Aneurysmen und Aortendissektion der Aorta ascendens

Beim Aortenaneurysma kommt es zur Aussackung der Aorta, die dazu führen kann, dass die Gefäßwand einreißt (Dissektion) und es dadurch zu kritischen Durchblutungstörungen kommt. Eine Dissektion im Bereich der aufsteigenden Aorta (Typ A) bedarf einer notfallmäßigen Versorgung ohne Aufschub. Um eine solche lebensbedrohliche Dissektion zu verhindern, operiert man bei einer Erweiterung der Aorta ascendens ab einer Größenzunahme des Querdurchmessers von ca. 5 cm. Es spielen jedoch verschiedene Erkrankungen eine Rolle, um die Indikation zur Operation zu stellen. Betrifft die Erweiterung auch den Aortenbogen nimmt die Größe rasch zu. Besteht eine angeborene Bindegewebserkrankung muss eventuell auch schon früher operativ behandelt werden. Dies besprechen wir mit Ihnen in unseren Spezialsprechstunden
Die Entscheidung, welches chirurgische Vorgehen anzuwenden ist, hängt vor allem von der Lokalisation und der Ausdehnung des Aneurysmas sowie von der Funktion der Aortenklappe ab. 

Ist die Erkrankung auf den aufsteigenden Teil der Aorta mit oder ohne Beteiligung des Aortenbogens oder der Herzklappe begrenzt, kommen unterschiedliche Techniken der Operation in Frage. Im Speziellen können wir die konkrete Operationstechnik erst nach ausführlichen Untersuchungen (Computertomographie, Echokardiographie, usw.) im Gespräch mit Ihnen erörtern.

Ist die Aorta ascendens und die Herzklappe betroffen, kommen Operationstechniken der folgenden Seiten in Frage.

Aortenklappenrekonstruktion

Ersatz der aufsteigenden Aorta mit klappentragenden Konduit

(nach David: Rekonstruktion der Aortenklappe mit Ersatz der Aorta ascendens mir Reinsertion der Koronararterienabgänge)

Führt ein Aortenaneurysma oder eine Aortendissektion sekundär zur Dilatation des Aortenklappenanulus und damit zur Klappeninsuffizienz, so kann die eigene Aortenklappe erhalten und rekonstruiert werden. Es muss also nicht in jedem Fall die Aortenklappe ersetzt werden. Nur wenn die Aortenklappentaschen verkalkt oder schwer degenerativ verändert sind, ist ein Klappenersatz notwendig.


Bei dieser nach dem Herzchirurgen Tirone David benannten Operation werden die sogenannten Sinus des Aortenbulbus entfernt und die verbleibende Nativklappe wird in eine entsprechend ausgemessene Gefäßprothese so eingenäht, dass sich die Ränder der Klappentaschen wieder treffen können. Die Abgänge (Ostien) der Herzkranzgefäße werden mitsamt einem kleinen Patch aus der Aorta ausgeschnitten und später in die neue Prothese integriert, so dass die Durchblutung des Herzens wiederhergestellt wird.
Da die eigene Aortenklappe erhalten bleibt, sind keine gerinnnungshemmenden Medikamente nach dieser Operation erforderlich.

Sollte der Erhalt der Aortenklappe nicht möglich sein, wird die Herzklappe mittels biologischer oder mechanischer Prothese ersetzt. Diese „Bentall“ Operation genannte Technik wird mittels speziell hergestellten Prothesen durchgeführt (sogenannte Conduit-Prothesen). Wie oben beschrieben wird auch hier die krankhaft veränderte Aorta ascendens derart entfernt, dass die Abgänge der Herzkranzgefäße wieder in die Prothese eingenäht werden.

Suprakoronarer Aorta ascendens Ersatz

Ist die Herzklappe nicht erkrankt und fängt die Erweiterung erst oberhalb der Abgänge der Herzkranzgefäße (Koronarien) an wird nur der erkrankte Bereich der Aorta ersetzt. Insbesondere bei isolierten Aneurysmen der Aorta ascendens ist diese Technik ausreichend. Sollte das Aneurysma nur bis zum Aortenbogen reichen, kann diese Operation mit einem sehr niedrigen Risiko durchgeführt werden. Es ist auf jeden Fall der Einsatz der Herz-Lungen-Maschine erforderlich.

Aortenbogen (Teil-) Ersatz

Ist jedoch der Aortenbogen mit durch das Aneurysma oder die Dissektion betroffen, kommen spezielle Techniken zum Einsatz. Da vom Aortenbogen die Gefäße für die Versorgung des Gehirnes und des Kopfes abgehen, ist diese Versorgung besonders anspruchsvoll und bedarf spezieller Vorkehrungen.

Um einer Schädigung der Körperorgane - insbesondere des Gehirns - vorzubeugen, wurden die Patient*innen früher mit Hilfe der Herz-Lungen-Maschine stark gekühlt. Es war üblich die Körpertemperatur auf ca. 20 °C zu senken. Damit stand eine Zeit von etwa 30 Minuten ohne Durchblutung des Gehirns und des Körpers zur Verfügung, um den Eingriff am Aortenbogen durchzuführen. Unerwünschte Nebeneffekte, wie beispielsweise schwere Blutgerinnungsstörungen, postoperative Verwirrtheitszustände oder ein erhebliches Schlaganfallrisiko, mussten in Kauf genommen werden. Dieses Verfahren als Operation im hypothermen totalen Herz-Kreislaufstillstand wird heutzutage nicht mehr isoliert angewendet.

Unsere aktuelle Technik: Hirnprotektion durch antegrade Hirnperfusion während des Herz- und Kreislaufstillstands

Große Fortschritte wurden in den letzten Jahren in der Chirurgie des Aortenbogens erzielt. Durch spezielle Katheter kann das Gehirn während der gesamten Operation am Aortenbogen mit Blut versorgt werden (antegrade Hirnperfusion). Hierdurch ist nur noch eine moderatere Abkühlung der Körpertemperatur auf ca. 28-32 °C notwendig. Insbesondere bei der Notwendigkeit des Ersatzes des gesamten Aortenbogens gewinnt man durch die Kühlung mehr Sicherheit für die zu schützenden Organe. Weil lange Abkühl- und Wiedererwärmungsphasen vermieden werden, verkürzt dies die Operationszeit. Höhere Bluttemperatur haben einen positiven Einfluss auf die Erholung nach der Operation und der notwendige Aufenthalt auf der Intensivstation kann deutlich verkürzt werden.

(Frozen) Elephant-Trunk-Technik

Sehr ausgedehnte thorakale Aneurysmen, die sowohl die Aorta ascendens, als auch den Aortenbogen und die Aorta descendens betreffen, machen aufwendigere Operationstechniken erforderlich. Sehr häufig müssen gerade diese Techniken bei der Operation aufgrund von akuten Dissektionen angewandt werden. Die Hauptsorge gilt der Blutversorgung von Hirn und Rückenmark, aber natürlich auch allen anderen Organen. Zur Hirnprotektion führen wir die oben beschriebene antegrade Hirnperfusion sowie eine perioperatives Messung der Sauerstoffsättigung des Gehirns durch.

Da die tieferen Abschnitte der absteigenden Aorta descendens über einen Zugang von vorne (mediane Sternotomie) nur sehr schwer erreichbar sind, wurde 1983 die sogenannte Elephant-Trunk-Technik von dem Herzchirurgen Hans Georg Borst eingeführt. Dies ermöglicht einerseits eine stabilere Verbindung von Prothese zur verbleibenden Aorta descendens und andererseits eine Versorgung der absteigenden Aorta zu einem späteren Zeitpunkt, z.B. mit einem minimal-invasiven endovaskulären Verfahren.

Hybridprothesen

Als moderne Erweiterung zur Elephant-Trunk-Technik haben sich sogenannte Hypridprothesen etabliert. Hierbei wird bei oben genannten ausgedehnten Verfahren ebenfalls sicher die absteigende Aorta mittels endovaskulärem Verfahren in einer Operation mitversorgt.

Dieses Verfahren hat viele Vorteile und wird in unserem Zentrum bei der Versorgung dieser ausgeprägten Aortenerkrankung standardmäßig angewandt. In vielen Fällen kann durch diese Technik eine Zweitoperation vermieden werden.

Wichtig bei all diesen Verfahren ist, dass eine Kontrolle regelmäßig einmal jährlich erfolgt. Dies kann meist ambulant erfolgen.

Sollten Sie oder ihr behandelnder niedergelassene Arzt*Ärztin Fragen haben, melden Sie sich gerne bei uns telefonisch in der Poliklinik.

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